Eine Genveränderung löst Retinitis pigmentosa aus


Die Netzhaut besteht unter anderem aus Millionen von lichtempfindlichen Zellen, auch Seh- oder Photorezeptoren genannt. Diese wandeln beim Sehvorgang Lichtstrahlen in elektrische Impulse um, aus denen das Gehirn wiederrum ein Bild erzeugt. Bei einer Retinitis pigmentosa gehen die Photorezeptoren nach und nach zugrundeb, bis schließlich nahezu alle zerstört sind. Meist erblinden die Patienten vollständig.

Die Erkrankung wird durch einen Gendefekt ausgelöst, der entweder vererbt wird oder auch spontan entstehen kann. Aktuell sind mehr als 50 Gene identifiziert, die bei einer Mutation zur Retinitis pigmentosa führen können. Eine Veränderung des entsprechenden Gens löst schwerwiegende Folgen in den Photorezeptoren aus. Solch eine Genmutation kann beispielsweise dazu führen, dass die Sehzellen ihre Funktion nicht mehr ordnungsgemäß ausführen können oder ein für die Zellen giftiges Eiweiß produziert wird. Letztendlich führen die Mutationen dazu, dass die Zellen unwiederbringlich zerstört werden.

Retinitis pigmentosa: Symptome


Der Krankheitsverlauf beginnt meist in der Kindheit und zieht sich über Jahre bis Jahrzehnte hinweg, da die Lichtsinneszellen nach und nach absterben. Schon als Kind bemerken viele Patienten, dass sie bei Dämmerung schlecht sehen können (Nachtblindheit). Später können sich ihre Augen auf sich ändernde Lichtverhältnisse immer schwerer einstellen, beispielsweise wenn sie aus einem dunklen in einen hell erleuchteten Raum gehen. Betroffene werden empfindlich für Sonnenlicht und sowohl das Farbsehen als auch das Kontrastsehen verschlechtern sich. Typisch für die Erkrankung ist, dass sich das Gesichtsfeld langsam verkleinert, nur das zentrale Gesichtsfeld bleibt erhalten. Dieses Phänomen wird Röhrenblick genannt und entsteht, da zuerst die Sehzellen am Rande der Netzhaut absterben, bis zum Schluss die Zellen in der Netzhautmitte zugrunde gehen. Aus diesem Grund verengt sich der Tunnelblick immer weiter, bis letztendlich kein Licht mehr vom Auge wahrgenommen wird.

Wie lange der Prozess dauert, ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Bis zur völligen Erblindung vergehen meist noch mehrere Jahre nach der Diagnose. Die Retinitis pigmentosa wird oftmals erst spät bemerkt, da das Gehirn fehlende Bereiche im Gesichtsfeld bis zu einem bestimmten Grad ergänzen kann, sodass den Betroffen zunächst nichts auffällt.

Erste Hinweise auf Einschränkungen im Gesichtsfeld sind, dass Betroffene häufig stolpern oder gegen Gegenstände laufen, die sie nicht bemerkt haben, obwohl sie für den Gesunden offensichtlich waren.Im späteren Verlauf der Erkrankung entwickelt sich bei den Patienten häufig eine trockene Makuladegeneration, die Linse bildet oftmals eine Katarakt.

Retinitis pigmentosa: Diagnose


Mithilfe einer Spaltlampe untersucht der Augenarzt den Augenhintergrund. Anhand typsicher Besonderheiten wie Pigmentverklumpungen, enge Netzhautgefäße und einer gelben Pupille erkennt der Arzt Retinitis pigmentosa. Zusätzlich wird meist ein Elektroretinogramm (ERG) zur weiteren Absicherung der Diagnose angefertigt. Mit diesem Verfahren lassen sich die Aktivitäten der Lichtsinneszellen ermitteln.

Behandlung: Hoffnung Retina-Implantat


Forscher arbeiten seit Jahren daran, eine Behandlung zu finden, die den Krankheitsverlauf der Retinitis pigmentosa stoppen oder zumindest verlangsamen kann. Bisher ist die Krankheit jedoch nicht heilbar.

In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Vitamin A (15.000 IE täglich) zu einer geringfügigen Verlangsamung des Krankheitsverlaufs führt1. Bei anderen Therapien konnte bisher kein Nachweis einer Wirksamkeit gezeigt werden. Dazu gehören Akupunkturen, Elektrotherapie sowie Injektionen von Plazenta-Gewebe oder Medikamenten, die durchblutungsfördernd oder gefäßerweiternd wirken. Generell ist es bei einer Retinitis pigmentosa jedoch problematisch, einen Therapieerfolg zu beurteilen, da sie in Verlauf und Schweregrad stark variiert und allgemein sehr langsam voranschreitet.

Eine vielversprechende, aktuelle Methode ist, ein elektronisches Implantat ins Auge zu setzen, dass es den Patienten ermöglicht, zumindest wieder Hell-Dunkel-Reize oder grobe Umrisse wahrzunehmen. Das Prinzip ist dabei wie folgt: Ein lichtempfindlicher Chip (Retina-Implantat) wird auf die Netzhaut gepflanzt und sendet dann Sinneseindrücke ans Gehirn. Bei einigen Patienten konnten schon erste Erfolge verzeichnet werden.

Leben mit Retinitis pigmentosa


Durch das langsame Voranschreiten der Retinitis pigmentosa können sich Patienten auf ein Leben ohne Augenlicht vorbereiten. Die Brailleschrift erlernen, den Haushalt organisieren sowie Training mit dem Blindenstock können die allmähliche Umstellung erleichtern. Viele Patienten benötigen aufgrund des Tunnelblicks zur Orientierung früh einen Blindenstock, obwohl die zentrale Sehschärfe erhalten ist und sie die Zeitung noch normal lesen können. Selbsthilfegruppen unterstützen Patienten bei der Lebensführung und stehen beratend zur Seite.

Gut zu wissen: Vererbung von Retinitis pigmentosa

Da es sich bei Retinitis pigmentosa um eine Erbkrankheit handelt, beschäftigt viele Patienten, ob sie die Krankheit an die eigenen Kinder weitergeben können. Diese Frage muss differenziert betrachtet werden. Nicht jeder Retinitis pigmentosa Patient vererbt automatisch sein Leiden weiter. Einzig eine exakte Diagnose und eine anschließende humangenetische Beratung können die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung ermitteln. Eine hundertprozentige Sicherheit, ein gesundes Kind zu bekommen, wird es allerdings nie geben.

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Dr. Sabrina Mihlan Dr. Sabrina Mihlan hat sich schon während ihres Biologiestudiums besonders für die humanmedizinischen Themen interessiert. Daher spezialisierte sie sich auf Heilpflanzen und klinische Biochemie. Nach ihrer Promotion an der Universität Würzburg startete sie 2015 ihr Volontariat bei kanyo® und bereitet dort bis heute Themen aus Gesundheit und Medizin verständlich und übersichtlich für Sie auf. Dr. Sabrina Mihlan Medizinredakteurin und Biologin kanyo® mehr erfahren
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  • Berson EL, Rosner B, Sandberg MA, Hayes KC, Nicholson BW, Weigel-DiFranco C, Willett W. A Randomized Trial of Vitamin A and Vitamin E Supplementation for Retinitis Pigmentosa. Arch Ophthalmol. 1993 Jun